Gestern ist mir zum ersten Mal dieser Begriff begegnet.

In dem Video wurde die These vertreten, dass das ganze Dilemma der jetzigen Zeit darauf beruhe, dass durch die Industrialisierung vor rund 200 Jahren die Väter durch die Arbeit außer Haus der Familie verloren gingen. Wodurch das Heranreifen der Söhne nicht mehr automatisch stattgefunden habe, wie davor. Das habe sich fortgesetzt, so dass wir jetzt eine Generation von Männern hätten, die im Innern Kinder geblieben seien.

In dem Beitrag „Vater-Hunger, Vater-Kraft“ fand ich folgende Aussagen:

Im Idealfall wachsen Söhne mit einem präsenten und liebevoll fordernden Vater im Rücken auf und haben Mentoren und eine männliche Gemeinschaft, die sie bewusst ins Mannsein hineinführen. Denn „Männer können nur von Männern initiiert werden. Frauen können aus einem Embryo einen Jungen werden lassen, aber nur Männer können aus einem Jungen einen Mann machen.“ (Robert Bly, „Eisenhans“).

Für viele Männer ist der Vater statt dessen der große Unbekannte geblieben – sie verbinden mit ihm Leere, Bedrohung, Flucht oder Missbrauch. Der Vater war bedrohlich für den Sohn, weil er eifersüchtig war auf die mütterliche Zuwendung oder weil ihn die kindliche Lebendigkeit an sein verschlossenes Herz erinnerte. Er war abwesend und signalisierte: „Du bist mir egal!“. Oder er schenkte „Liebe“ im Tausch gegen Höchstleistungen des Sohnes.

Manche von uns haben dann entweder versucht, so zu werden wie dieser Vater, um seine Liebe doch noch zu gewinnen. Oder wir gaben alles, um ganz anders zu werden als er. Vielleicht war das auch die Botschaft der Mutter: „Werde bloß nicht wie dein Vater!“ – im Klartext: „werde kein Mann!“ Dann fühlte der Sohn sich verraten vom Vater und lebenslang von ihm allein gelassen mit der Mutter.

Was zumeist als „männlich“ abgelehnt wird wie Gewaltbereitschaft, Gefühllosigkeit, Bindungsschwäche sind keine Merkmale von Männlichkeit, sondern Ausdruck von Verletzungen. Deswegen muss jeder Mann zum einen seine destruktiven Muster konfrontieren: die narzisstische Einsamkeit des Einzelkämpfers, das verschlossene Herz, die entfremdete Sexualität, die Trennung von Lieben und Begehren, der Rückzug von der Frau, wenn Mutterschaft da ist, unser Gewaltpotenzial, unseren Flirt mit Süchten aller Art.

Jeder Mann muss sich zum anderen ebenso seinen eigenen Wunden zuwenden: dem grundlegenden „Vater-Hunger“, aber auch der emotionalen Übergriffigkeit von Frauen, der kollektiven Verletzung durch eine jahrtausendealte patriarchale Kriegskultur, und auch der zum Teil feindseligen Abwertung des Männlichen im gesellschaftlichen Diskurs der letzten fünfzig Jahre.

Die Thesen in dem Video gingen mir zu weit. Da war die Rede von einem sozialen Experiment, das (wer auch immer) mit uns machen würde. Und dass das alles so gewollt / gesteuert worden sein soll, wozu auch gehört, dass die Frau bewusst anfangen sollte mit ihrer Rolle unzufrieden zu sein und arbeiten zu gehen, wodurch es mehr Steuerzahler gibt. Naaa jaa?!? Wie gesagt, das geht mir alles zu weit und ich fand die Thesen reichlich konstruiert oder einfach einseitig „männlich gedacht“?

Trotzdem machte mich das Thema traurig. Meine beiden Ehemänner vermissten eine gute vertraute stärkende Beziehung zu ihrem Vater. Sie fehlte ihnen. Unsere Beziehung litt daran, das steht fest. Nicht nur, aber auch.

Auch in meinem Umfeld hörte ich öfter Männer sagen, dass ihnen das Vorbild des Vaters gefehlt habe. Das automatische selbstverständliche Miterleben, was Mannsein bedeutet.

Das Video sprach davon, dass gereifte Männer ihre – auch spirituelle – Rückverbindung suchen und finden würden, dass sie die Gesellschaft dadurch geistig in die Zukunft führen könnten, dass sie keine Kriege führen würden. Frauen würden sich so wieder ihrem Frausein zuwenden können, anstatt Männeraufgaben mit übernhemen zu müssen.

Wie auch immer. Ich glaube nicht, dass es DIE Schlüsselerklärung für das Dilemma unserer Zeit ist. Aber etwas ist schon dran.

Ich bekam jedenfalls Hunger nach einem „richtigen“ Mann und seiner Energie, die er in eine Beziehung einbringen könnte.

Nicht, dass ich gerade sehr interessiert daran wäre, eine Beziehung zu einem Mann einzugehen. Aber wenn diese Männerwunde geheilt würde, würden wir alle sehr profitieren.

Das Credo des Videos war: Männer, widmet euch eurer Wunde und heilt sie und rettet dann die Welt. Gerade letzteres werden wir wohl gemeinsam tun müssen.